Kinderarztversorgung in Mannheim ungleich verteilt – SPD-Gemeinderatsfraktion diskutiert Maßnahmen für benachteiligte Stadtteile
Auf Einladung der SPD im Mannheimer Gemeinderat diskutierten am Dienstagabend Fachleute aus Medizin, Verwaltung und Politik gemeinsam mit Bürgerinnen und Bürgern über die aktuelle Lage der kinderärztlichen Versorgung in Mannheim. Die Veranstaltung unter dem Titel „Wie sichern wir die ärztliche Versorgung unserer Kinder?“ machte deutlich, dass die Versorgungslage in Mannheim zwar auf dem Papier gut aussieht, in der Realität jedoch erhebliche strukturelle Lücken aufweist. Besonders in sozial benachteiligten Stadtteilen wie der Schönau oder Neckarstadt-West, aber auch in Friedrichsfeld oder Neuostheim/Neuhermsheimgibt es keine niedergelassenen Kinderärztinnen oder Kinderärzte – mit weitreichenden Folgen für die Gesundheitsvorsorge vieler Kinder.
„Es kann nicht sein, dass der Wohnort eines Kindes darüber entscheidet, ob es medizinisch gut versorgt wird“, erklärte der Mannheimer Landtagsabgeordnete Dr. Boris Weirauch, selbst Vater von vier Kindern, in seinem Eingangsstatement. „Wir brauchen eine Bedarfsplanung, die sich an der Lebensrealität orientiert – nicht an pauschalen Rechenmodellen.“ Er kritisierte, dass engagierte Ärztinnen und Ärzte, die in unterversorgten Stadtteilen helfen wollen, durch gesetzliche und administrative Hürden ausgebremst werden. So sei etwa einer Kinderärztin, die in Hochstätt regelmäßig eine Sprechstunde anbieten wollte, die Sonderbedarfszulassung verweigert worden, obwohl sowohl Praxisräume als auch Nachfrage vorhanden gewesen seien. Die Begründung der Ablehnung durch die Kassenärztliche Vereinigung sei aus Datenschutzgründen nicht öffentlich gemacht worden.
Dr. Peter Schäfer, Leiter des Mannheimer Gesundheitsamts, bestätigte die strukturellen Probleme aus Sicht der kommunalen Verwaltung. Er berichtete zudem, dass es im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie nicht nur in Mannheim, sondern im gesamten Planungsbereich Rhein-Neckar sogar eine Unterversorgung gebe. Die Stadtteile mit den größten Versorgungslücken seien häufig auch diejenigen mit sozialen Herausforderungen. „Wir wissen, dass fehlende ärztliche Versorgung in bestimmten Quartieren auch zu weniger Vorsorgeuntersuchungen und höheren gesundheitlichen Belastungen führt“, so Schäfer. Die Stadt arbeite bereits an gezielten Lösungsstrategien, stoße jedoch aufgrund der jeweiligen Zuständigkeiten immer wieder an strukturelle Grenzen.
Diese Intransparenz und das starre System wurden auch von anderen Podiumsteilnehmern kritisiert. Der Kinderarzt Dr. Frederik Loersch berichtete aus der Praxis, dass der Druck auf bestehende Praxen stetig wächst – durch mehr Patientenkontakte, längere Behandlungszeiträume und eine zunehmend jüngere ärztliche Generation, die andere Arbeitszeitmodelle bevorzugt. Gleichzeitig würden gerade die Kinder und Familien, die besonders auf eine gut erreichbare, niedrigschwellige Versorgung angewiesen seien, durch das aktuelle System benachteiligt.
Karim Baghlani, gesundheitspolitischer Sprecher der SPD im Mannheimer Gemeinderat, unterstrich: „Wenn Eltern in bestimmten Stadtteilen keinen Kinderarzt mehr finden, führt das zu weniger Vorsorgeuntersuchungen, weniger Impfungen und im schlimmsten Fall zu Entwicklungsrückständen. Das ist keine abstrakte Statistik, das betrifft die Chancengleichheit von Kindern in unserer Stadt ganz konkret. Als SPD wollen wir gemeinsam mit KV, Stadt, Land und der Ärzteschaft neue Wege finden, die Versorgung dort zu sichern, wo sie wirklich gebraucht wird.“
Neben der Bestandsaufnahme wurden auch konkrete Lösungsansätze diskutiert. Dazu gehören unter anderem gezielte Anreize für eine Niederlassung in unterversorgten Stadtteilen, etwa durch Mietzuschüsse oder Praxisförderung, der Ausbau von geförderten Weiterbildungsstellen in der ambulanten Pädiatrie, der verstärkte Einsatz von Telemedizin sowie multiprofessionelle Versorgungsmodelle. Auch die Idee, nichtärztliche Gesundheitslotsen in Quartieren mit hohem Unterstützungsbedarf einzusetzen, stieß auf breite Zustimmung unter den Anwesenden.
Dr. Melanie Seidenglanz, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD im Mannheimer Gemeinderat und Moderatorin des Abends, zog ein klares Fazit: „Die Diskussion hat gezeigt: Es mangelt nicht an Ideen oder Engagement, aber die Strukturen sind träge und ungerecht. Wenn wir die gesundheitliche Chancengleichheit für Kinder ernst nehmen, müssen wir aufhören, Verantwortung zwischen Stadt, Land und Kassenärztlicher Vereinigung hin- und herzuschieben. Wir brauchen konkrete Entscheidungen für mehr Versorgungsgerechtigkeit in Mannheim.“
Die SPD-Gemeinderatsfraktion kündigte an, die Ergebnisse der Veranstaltung in ihre weitere politische Arbeit einfließen zu lassen. Klares Ziel sei es, Versorgungslücken zu schließen und dafür zu sorgen, dass jedes Kind in Mannheim unabhängig vom Wohnort eine faire Chance auf medizinische Betreuung erhält.
